Prof. Dr. Hans Paulsen verstorben20. Mai 1922 – 03. Oktober 2024
15. Oktober 2024, von Prof. Dr. Joachim Thiem

Foto: privat
Hans Paulsen, geboren am 20. Mai 1922 in Altona, wurde nach dem Abitur eingezogen und leistete Arbeits- und Militärdienst bis 1945. Schwer erkrankt kam er nach Hamburg zurück und konnte erst 1948 mit dem Chemie-Studium in Hamburg beginnen. Nach dem Hauptdiplom promovierte er 1955 zum Dr. rer. nat. an der Universität Hamburg in der Arbeitsgruppe von Prof. Kurt Heyns. 1962 folgte die Habilitation in der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften mit der Schrift „Monosaccharide mit Stickstoff im Ring“.
Ab 1953 als wissenschaftlicher Assistent im Arbeitskreis Heyns war er mit Unterricht, Forschung sowie Planungsaufgaben beim Aufbau des neuen Chemiezentrums der Universität tätig. 1968 wurde der Privatdozent zum Universitätsprofessor ernannt. Dem Ruf auf einen Lehrstuhl an die Universität Kiel folgte er nicht, sondern besetzte die neu geschaffene Professur für Naturstoffchemie in Hamburg, und diese Position bekleidete er von 1972 bis zu seiner Emeritierung 1987.
Hans Paulsens wissenschaftliches Werk liegt im Herzen der Kohlenhydratchemie. Gemeinsame Publikationen mit seinem akademischen Lehrers Kurt Heyns befassten sich mit der Platin-katalysierten Oxidation von Sacchariden. Eigenständige Themen über die Chemie von Kohlenhydraten mit Stickstoff im Halbacetalring gewannen später besondere Aufmerksamkeit, weil derartige Derivate höchst potente Glycosidase-Inhibitoren darstellen. Weitere Forschungsgebiete befassten sich mit Acyloxonium-Umlagerungen in der Kohlenhydratchemie, phosphorhaltigen Sacchariden, Kohlenhydraten mit verzweigten Funktionsketten, Aminoglycosid-Antibiotika, Oligosaccharid-, Glycolipid- sowie O- und N-Glycorotein-Synthesen. Frühzeitig hat Hans Paulsen die Bedeutung der Kernmagnetischen Resonanzspektroskopie (NMR) für Strukturzuweisungen in der Organischen Chemie und besonders komplexer Saccharide erkannt, und diese Technik in Hamburg zielgerichtet ausgebaut. So konnten wichtige Beiträge zu Konformationen von Monosaccharid- und später Oligosaccharid-Derivaten, sowie zum Verständnis des exo-anomeren Effekts erzielt werden.
Das wissenschaftliche Werk von Hans Paulsen mit mehr als 500 Publikationen hat höchste nationale und internationale Auszeichnungen erfahren: die Emil-Fischer-Medaille, die Haworth Memorial Medal, den Claude S. Hudson Award, die Heyrovsky-Medaille, die Biyvoet-Medaille und den Riken-Eminent-Scientist Award. Hans Paulsen hat als Mitherausgeber und Mitglied im Editorial Board zahlreicher internationaler Zeitschriften gewirkt, und als Hauptgutachter bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft jahrelang das Gebiet der Organischen Chemie in Deutschland mitgestaltet.
Bemerkenswerterweise steht hinter diesem enormen Impakt eine im Wesen bescheidene und zurückhaltende Persönlichkeit. Niemals laut aber immer mit überzeugendem Detailwissen hat er charismatisch viele junge Wissenschaftler zu eigenen Beiträgen angespornt. Sein zurückgezogener privater Lebensstil wurde immer dann etwas transparent, wenn er mit schönen Bildern über die Historie, die Baukunst sowie Land und Leute von zahlreichen Reisen in alle Gebiete der Welt engagiert, kundig und launig berichtete.
Wir werden uns an Hans Paulsen als großartigen Wissenschaftler und hoch geschätzten Kollegen erinnern.