Erinnerungen an Prof. Wittko Francke
21. Juli 2021, von Christian Wittenburg

Foto: Privat
Am 27.12.2020 verstarb Professor Dr. Dr. h.c. mult. Wittko Francke im 81. Lebensjahr an einer COVID-19-Infektion. Die Mitglieder des Fachbereichs sind traurig und bestürzt über diesen schweren Verlust. Tragischerweise hätte eine nur wenige Wochen später verfügbare Impfung ihm dieses Schicksal möglicherweise erspart.
Noch im November 2020 hat Chris Meier, Fachbereichsleiter und langjähriger Kollege von Wittko Francke, ihm zum 80. Geburtstag gratuliert, seinen wissenschaftlichen Werdegang nachgezeichnet und seine großen Verdienste gewürdigt. Dieser Artikel und ein Nachruf findet sich auf unseren Fachbereichsseiten.
Aufgewachsen ist Wittko Francke als Kind zweier Forstwissenschaftler im waldreichen Reinbek vor den Toren Hamburgs. Sein seltener Vorname bedeutet „der im Wald Geborene“. Sein Vater starb im zweiten Weltkrieg. Von seiner Mutter, Helene Francke-Grosmann, Dozentin am Universitätsinstitut für Forst- und Holzwirtschaft und spätere Professorin an der Universität Hamburg, lernte Wittko früh die Liebe zur Natur und Einblicke in wissenschaftliche Arbeitsweisen.
Im Jahre 1960 begann er das Studium der Chemie zu einer Zeit, als Studentenproteste mit dem Slogan „Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren“ die Universität aufmischten. Er promovierte 1973 bei Prof. Kurt Heyns mit einer Arbeit zu Aggregationssubstanzen des Ambrosiakäfers. Im Jahre 1979 folgte die Habilitation und 1985 erhielt er eine Professur auf Lebenszeit am Institut für Organische Chemie, wo er auch nach seiner Pensionierung in Forschung und Lehre tätig war.
Wittko Francke erhielt zwei Rufe auf Professuren an die Universitäten in Gießen und Heidelberg, die er ablehnte. Bleibeverhandlungen führten zur Gründung der Abteilung für Organomeereschemie am Fachbereich. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands engagierte er sich im Fachbeirat des Max-Planck-Institutes für chemische Ökologie in Jena.
Sein wissenschaftlicher Werdegang ist mit vielen Auszeichnungen und Würdigungen verbunden, inoffiziell wurde auch der Titel „Mozart der Moleküle“ genannt.
Als akademischer Lehrer hat Wittko Francke tiefe Spuren hinterlassen und ein großes Netzwerk von Forscherinnen und Forschern mit aufgebaut. Ich kann mich, als Student in den 1980er Jahren, gut an die Stunden der Vorlesung Syntheseplanung erinnern, die intellektuell sehr anspruchsvoll mit vielen Seitenbezügen und persönlichen Ausschmückungen mit einer komplett gefüllten Tafel endeten. Auch durfte ich als Schwerpunktpraktikant in seiner sehr agilen Arbeitsgruppe ein Spiroketal synthetisieren.
Sein besonderes Forschungsinteresse galt der chemischen Kommunikation der Insekten. In einer Zeit, als die chemische Industrie mit Polymeren ihren Siegeszug in allen Bereichen des Lebens antrat, beschäftigte sich Wittko Francke mit Umweltchemie und grundlegenden Fragestellungen zum Bau der Moleküle und ihrer Wirkungsweise. Die interdisziplinäre, von wissenschaftlicher Neugier geprägte Zusammenarbeit war für ihn gelebte Praxis.
Geographisch zog es Wittko Francke in den hohen Norden. Er ging auf Insektenfang in der kargen Alvaret auf Öland, regelmäßig wurde mit der Familie Urlaub in einer Hütte in Finnland gemacht. So ist es nur folgerichtig, dass er zwei Ehrendoktorwürden der schwedischen Universitäten in Lund und Göteborg verliehen bekam. Auch der Musik war er verbunden und spielte selbst Flöte.
Wittko Francke war eine Persönlichkeit mit vielen Interessen, gepaart mit großem Engagement. Ein Mensch mit Ecken und Kanten und einem großen Selbstbewusstsein.
Besonders verbunden war er der International Society of Chemical Ecology (ISCE), zu dessen Ehrenmitglied er 2016 ernannt wurde. Zur Erinnerung an Wittko Francke, der noch aus dem Krankenhaus Publikationen redigierte, fand am Ostersamstag dem 3. April, eine Gedenkveranstaltung in Zoom statt.
Initiiert von seinem Freund und Kollegen, Prof. Walter Leal, University of California-Davis, waren über 300 Teilnehmende aus der gesamten Welt dabei, was aufgrund der Zeitverschiebung für einige Freunde aus Asien eine Herausforderung war. Nachzusehen und -hören unter:
https://www.youtube.com/watch?v=HHQzvaJB33U
In den Erinnerungen zieht sich die große Gastfreundschaft und menschliche Nähe Wittko Franckes bei gutem Wein und Essen wie ein roter Faden durch die Beiträge. Bei der Veranstaltung wurde der Daaks-Chemicals Fund gegründet, für den durch Spenden unter Kollegen und Freunden mittlerweile über $25.000 zusammengekommen sind. Zukünftig soll damit die Wittko Francke's Daaks-Chemicals Memorial Lecture auf dem jährlichen Treffen der ISCE finanziert werden.
Erstmals tauchte diese „Firma“ auf der Sponsorenliste des ISCE-Treffens 2002 in Hamburg auf, dessen Veranstalter Wittko Francke war. Er hatte eine private Spende für die Veranstaltung gegeben, diese erschien in der Sponsorenliste unter dem Pseudonym „Daaks-Chemicals“ neben Firmen wie der Bayer AG und der Beiersdorf AG.
Während des virtuellen Treffens am 3. April enthüllte Christian Francke, einer seiner beiden Söhne, wie es zur Bezeichnung „Daaks“ kam. Auf Familienfesten im Hause von Großmutter Helene war es gute Sitte, dass es zu einem Auftritt einer unbekannten Tante kam, Tante Daaks. Diese wurde gerne gespielt vom verkleideten Wittko, seinem Vater. Hier könnte ein Grund für den oftmals beschriebenen tiefgründigen Humor von Wittko Francke liegen. Nun bleibt dieser Name hoffentlich noch lange in dieser Memorial Lecture erhalten.
Im Freundes- und Förderverein Chemie des Fachbereichs werden seine Impulse sowie seine kompetente Kassenprüfung schmerzlich vermisst. Gerne hätten wir auch für unsere Fachbereichszeitung ein Interview mit Wittko Francke über sein Leben mit der Chemie in Hamburg gebracht - die Planungen waren bereits angelaufen, als die Nachricht seines Todes uns erreichte.
Der Fachbereich verliert eine herausragende Persönlichkeit, die in 60 Jahren hier studiert, gearbeitet, gewirkt und diesen maßgeblich mitgeprägt hat- und ihm sehr viel zu verdanken hat.
PS:
Ein filmisches Wiedersehen mit Wittko Francke, eine Laudation auf seinen Kollegen Wendell Roelofs, anlässlich des ISCE-meetings 2008 (Länge 20 min) findet sich hier:
https://www.youtube.com/watch?v=xS5QlhQYVAk
Einen Nachruf von Konrad Dettner, Stefan Schulz und Jürgen Gross findet sich hier:
https://onlinelibrary.wiley.com/share/author/YDSMZJSKTIMMVZU7WGXW?target=10.1111/jen.12900