Untersuchungsamt
Bemerkenswertes aus dem Aufgabenbereich des Untersuchungsamtes
Hans Schmalfuß berichtet in der Denkschrift "Das Chemische Staatsinstitut Hamburg in seiner Ausgestaltung während der Jahre 1917 bis 1932" so über die Aufgaben des Untersuchungsamtes:
Schwer lastet die Verantwortung auf den Gutachtern, namentlich für Gerichte. Die mühseligen Untersuchungen erfordern viel Scharfsinn, ungewöhnliche Sorgfalt, - und Entsagung: Von dem, was in stiller Abgeschiedenheit geleistet wird, dringt wenig nach außen. Aber manche Arbeit überragt den Durchschnitt wissenschaftlicher Forschung an Bedeutung und an innerem Gehalt: Da sind Giftmorde aufzuklären; da müssen verbrannte Papiere der Hannoverschen Bank oder verblaßte Urkunden aus dem 14. Jahrhundert wieder lesbar gemacht werden (Tgb. Nr. 59/17 und 148/20). Oder: Bilderfälschern wird die ursprüngliche Unterschrift "Grimou" vor Augen gehalten (854/26). Betrüger werden überführt, Briefumschläge mit Wasserdampf widerrechtlich geöffnet und mit Fischleim neu verschlossen zu haben (400/25). Viele Urkunden werden untersucht: Bald sind sie gefälscht, bald nicht. Die Kunde der besonderen Fertigkeit dringt nach Griechenland. Das Untersuchungsamt muß nach dorthin Auskunft geben (F3 IX, 525).
Auch an scherzhaften Aufgaben fehlt es nicht: Hat da ein Jünger des Bacchus - gewiß im Rausch - des Bacchus Sandsteinbüste am Ratsweinkeller mit Tinte begossen. Das Untersuchungsamt muß des Gottes Unbeflecktheit wieder herstellen (337/18). - Oder: der Kater eines Nachbarn sucht täglich die Dachrinne auf, um dort seine Notdurft zu verrichten. Vielleicht will das Tier nur schöne Aussicht dabei; aber der Hausbesitzer bezieht die Sache anders: auf sich und sein Haus. Und so muß das Untersuchungsamt darauf erkennen, daß Katerkot auf die Dauer sogar Dachrinnen zerfrißt (190/28).
Dann wieder sind es Altertümer, deren Geheimnis entschleiert werden soll: ein Altperuanisches Messer ist aus Kupfer, mit Silber überzogen (40/29). Aus Zinn und Kupfer besteht der Knauf eines ehrwürdigen Schwertes aus Liesbüttel, im Kreise Rendsburg (GI/195). Siamesisches Ringgeld ist aus Zink gemacht, das Spuren von Eisen enthält (92/19).
Das älteste Hamburger Kunstwerk, ein Türklopfer an der Turmtür zur St. Petrikirche aus dem Jahre 1342, begann zu verwittern. Diese Gefahr hält das Untersuchungsamt für unbedeutend, aber rät, den Klopfer vor Dieben zu sichern (13/25). Woraus besteht der Staub unserer Kunsthalle, die ans Bahngelände grenzt? Aus Kohle, Gewebsteilen, Sand und Gips mit wenig Eisenoxyd (444/20).
Wertvolle Bauten hilft das Untersuchungsamt schützen: sei es, daß im Elbtunnel Drängwasser auftritt oder die Elbbrücke angefressen wird (372/22 und 726/18).
Ein Sielrohr aus Beton liegt 17 Jahre in der Erde. Ein Kohlenwagen fährt darüber. Das Rohr bricht unter der Last zusammen. Warum? Gipshaltiges Grundwasser hatte das Rohr ausgelaugt und Kalziumaluminat weggeführt (348/20).
Warum rostete ein deutsches Kabel, ein englisches nicht? War der deutsche Zinküberzug schlechter? Nein. Die Hanfhülle des deutschen Kabels war mit saurem Öl getränkt. Und Fettsäure löst Zink. Die Engländer hatten mit säurefreiem Steinöl besseren Erfolg (227/22).
In Guatemala starben die Kälber in Massen. Man vermutete, Schädlinge hätten die Kälber getötet. Doch zeigte sich, daß dem Futtergrase Eiweiß mangelte. Die unterernährten Kälber fielen nur aus Schwäche den Schädlingen zum Opfer. Nun wurde Eiweiß zugefüttert. Und das Sterben hörte auf (403,436/24).
In Neuengammer Salzsolen aus 125 und 810 m Tiefe fand sich Jod (608, 636, 676/22 und 42/23). Neuengammer Erdgase bestand zu 25 bis 64% aus Methan (550/21 und 572/22). Gas vom Gasausbruch in Lübeck enthielt neben 76% Methan, 13% Kohlendioxyd und 7% Stickstoff neben wenig anderen Gasen,(183/26). Gas, das 25 m unter unserem Botanischen Garten angesammelt ruhte, war fast reiner Stickstoff (183/26).
Schlagwetter-ähnliche Zufälle ereigneten sich unerwartet auf Aborten mancher Siedlungshäuser. Harmlose Besucher waren ihren Geschäften nachgegangen, ohne Zigarre oder Pfeife ausgehen zu lassen, oder sie hatten gar offnes Licht mitgenommen. Auf strömendes Grubengas, mit Luft gemischt, entzündete sich so (367/26 und F3VII, 371 a).
Ähnlich waren traurige Unfälle zu bewerten, in denen Acetylen (Narcylen) zur Einschläferung für blutige Eingriffe diente. Acetylenluftgemische sind in weiten Grenzen ähnlich gefährlich wie Knallgas.
Beim Turnen in der Schule brach eine eiserne Reckstange. Die Untersuchung zeigte, daß die Stange grob fehlerhaft gefertigt war (52/31).
Diese wenigen Fälle sind aus Tausenden herausgegriffen. Sie genügen aber, um eine ungefähre Vorstellung zu geben von dem Nutzen der vielseitigen Untersuchungstätigkeit.